Der Begriff Inbetriebnahme – im Englischen Commissioning – bezeichnet den Prozess der Überführung einer Maschine oder Anlage nach ihrer erfolgreichen mechanischen Fertigstellung und Montage in den fehlerfreien Betrieb. Findet die Überführung des Produkts vom Ruhezustand in den Dauerbetrieb erstmalig statt, spricht man von der Erstinbetriebnahme. Ansonsten handelt es sich um eine Wiederinbetriebnahme, die beispielsweise nach einem Stillstand erfolgt. Dabei ist die Erstinbetriebnahme wesentlich zeitintensiver als die Wiederinbetriebnahme.
Während der Inbetriebnahme kann es – beispielsweise wegen Unstimmigkeiten in der Anlage oder der Anlagensteuerung – zu Schäden an Anlagenteilen oder der in ihr befindlichen Produkte kommen. Meist führt dies zu höheren finanziellen und/oder zeitlichen Aufwänden.
Doch auch im Fall, dass die Erstinbetriebnahme reibungslos verläuft, nimmt sie in der Regel eine gewisse Zeit in Anspruch. Aufwand und Dauer – für beispielsweise Sicherheitsbetrachtungen und Ablaufplanung – sind je nach Produkt erheblich. So erfolgt das Commissioning einer Großanlage in der Industrie systematisch und häufig über einen Zeitraum von mehreren Monaten.
Betrieben wird die Anlage während der Erstinbetriebnahme in der Regel vom Betriebspersonal des späteren Betreibers. Häufig erhält das Team vor Ort (je nach vertraglicher Verpflichtung) aber Unterstützung seitens des Verfahrensgebers. Um den finanziellen und zeitlichen Aufwand für die Erstinbetriebnahme zu reduzieren, bedient man sich heute immer häufiger der sogenannten virtuellen oder hybriden Inbetriebnahme.
Die Inbetriebnahme kann dann als erfolgreich gesehen werden, wenn sich die Anlage gemäß Arbeitssicherheit und Störfallverordnung sicher betreiben lässt. Außerdem muss die Anlage das jeweilige Produkte in der gewünschten Qualität und Menge herstellen können und die Anlagenverfügbarkeit muss nachgewiesen sein.
Die Erstinbetriebnahme gilt als abgeschlossen, sobald die folgenden drei Ziele erreicht sind:
– Funktionsfähigkeit der Anlagenteile: Herstellung der Betriebsfähigkeit und erfolgreiches Anfahren
– Probelauf: Erstmalige Übernahme von Rohstoffen und Energien und Beginn der Produktherstellung (etappenweises Inbetriebnehmen)
– Garantielauf bzw. Leistungsfahrt: Erbringung des Nachweises, dass die Anlage ihre garantierte Leistung erreicht (meist 72 Stunden Betrieb)
– Abnahme
Der Garantielauf ist dann erfolgreich, wenn sowohl die Menge und Qualität des Endprodukts als auch das Mengenverhältnis der Werkstoffe zum Endprodukt stimmen. Außerdem muss sich der Energieverbrauch im Dauerbetrieb in den vorgegeben Parametern bewegen und die Menge und Qualität der Abfallprodukte muss den Erwartungen entsprechen.
Bei Erfüllung all dieser Kriterien, gilt die Erstinbetriebnahme als erfolgreich abgeschlossen. Damit endet der lange Weg von der Produktidee bis zur Herstellung. Hier endet außerdem die erste Lebensphase der Anlage, das heißt, erst jetzt fängt sie an, Geld zu verdienen. Es folgt der Dauerbetrieb, der sich in der Regel über Jahre erstreckt und durch geplante Wartungs- und Modernisierungs-Shutdowns unterbrochen wird.
Im Folgenden werden die einzelnen Schritte der Inbetriebnahme ausführlich beschrieben:
Zunächst erfolgt die Überprüfung der Anlage auf mögliche nicht dokumentierte Montageabweichungen. Kontrolliert wird also die Übereinstimmung des Produkts mit den Planungsunterlagen. Liegen Montagefehler vor oder sind noch Restmontagearbeiten zu erledigen? Welche ergänzenden Maßnahmen sind nötig, damit die Inbetriebnahme reibungslos verläuft?
Im zweiten Schritt wird die Anlage innerlich und äußerlich gereinigt. So werden aus dem Innenraum von Apparaten oder Rohrleitungen Fremdkörper und Verunreinigungen entfernt und der Außenbereich wird ebenfalls von Schmutz befreit. Die Reinigungs- und Aufräumarbeiten dienen vor allem der Arbeitssicherheit.
Während zu Beginn der Reinigung vor allem mechanische Verfahren wie Wischen, Bürsten, Strahlen und Schleifen zum Einsatz kommen, findet im Anschluss das sogenannte Ausblasen statt. Dafür nutzt man in der Regel Luft, Dampf oder Stickstoff.
Sinn und Zweck der Sicherheitsprüfung ist es, festzustellen, ob die Gesamtanlage und all ihre Teile den geltenden Sicherheitsverordnungen gemäß geplant und gebaut wurden. Bei den jeweiligen Richtlinien kann es sich zum Beispiel um solche aus der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) sowie um berufsgenossenschaftliche Regelwerke handeln. Die Prüfungen werden also durch die entsprechenden Behörden und Überwachungsstellen umgesetzt. Sie sind es auch, die anschließend die Betriebserlaubnis erteilen.
Während es Ziel der Funktionsprüfungen ist, festzustellen, ob die Anlagen und Komponenten einwandfrei funktionieren, bringen die Abnahmeprüfungen den Nachweis, dass die Produkte auch den gewünschten Wirkungsgrad und das Leistungsspektrum erreichen.
Bei der Gesamtdichtigkeitsprüfung wird die komplette Anlage auf die Dichtigkeit sämtlicher Verbindungen und das Vorhandensein von Leckagen hin überprüft. Dafür verschließt man alle offenen Entlüftungsflanschen und Entleerungen und bringt die Anlage anschließend mittels Sauer- oder Stickstoff auf einen Druck zwischen 0,3 und ein Bar. Bei Bedarf werden die Flanschverbindungen nachgezogen, indem man sie zum Beispiel mit schaumbildenden Lösungen abpinselt.
In diesem Schritt wird die Anlage inertisiert, das heißt, der im Inneren der Anlage vorhandene Sauerstoff wird mit Hilfe eines Inertgases (meist Stickstoff) aus den Innenräumen entfernt. Der Grund hierfür ist, dass Sauerstoff in vielen Prozessen unerwünschte Nebenwirkungen haben kann – beispielsweise Korrosion oder Explosion. Nach der Inertisierung ist die Betriebsbereitschaft der Anlage hergestellt.
Nun wird die Anlage etappenweise bis zum Erreichen des Dauerbetriebs angefahren. Wie dies vonstatten geht, ist vom eingesetzten Verfahren abhängig. Zunächst erfolgt der sogenannte Probebetrieb, der aus folgenden Schritten besteht:
– Anfahren (Start der Inbetriebnahme)
– Stabilisierung (Herstellen des vorgesehenen Betriebs)
– Hochfahren (Erreichen der Nennlast)
– Einfahren (Verbleiben im Nennzustand und Einstellen aller Parameter, zum Beispiel Produktqualität)
– Abfahren (Herunterfahren und Vorbereitung für Reparaturen)
– Technische Vorbereitung des Garantielaufs
– Wiederanfahren (Erreichen der 100%igen Kapazität)
– Optimierung (Prüfen aller betroffenen Maßnahmen)
Den letzten Schritt bildet die Leistungsfahrt beziehungsweise der Garantieversuch. Mit ihm erbringt der Hersteller den Nachweis, dass die Anlage die garantierte Leistung erreicht.
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